Aktienhandel

Richtlinien zum Aktienhandel

Die Nachfrage, ob das Investieren in Aktien islamisch erlaubt ist, häuft sich. Dies ist die Standardauskunft des Dārul-Iftāʾs der Jāmiʿah Dārul-ʿUlūm Karatschi (Pakistan). Das Dārul-Iftāʾ besteht aus zahlreichen Experten des islamischen Finanzwesens und einer von ihnen ist der Verfasser Muftī Bilāl Aḥmad Qāḍī (möge Allah ihn bewahren). – Übersetzer

Der Wertpapierhandel mit Aktien ist unter folgenden Voraussetzungen erlaubt:

[Geschäftliche Aspekte des Unternehmens]

  1. Das Unternehmen, dessen Aktien man beabsichtigt zu kaufen, sollte erlaubte (ḥalāl) Geschäfte betreiben. Wenn die Geschäfte des Unternehmens nicht rechtmäßig sind, ist der Kauf und Verkauf seiner Aktien nicht erlaubt.
  2. Die Geschäfte des Unternehmens sollten tatsächlich begonnen haben. Das Unternehmen sollte über vorhandenes Eigentum wie Gebäude oder Maschinen verfügen, und Barvermögen sollte bereits vorhanden sein. Wenn das Unternehmen nur aus einem Geschäftsplan und Barvermögen besteht und das Geschäft noch nicht begonnen hat, dürfen die Aktien nur zum Nennwert gehandelt werden – weder für mehr noch für weniger.

[Beteiligung und Gewinnverteilung]

  1. Man sollte an beidem dem Gewinn und Verlust beteiligt sein. Das bedeutet, dass der Aktieninhaber bei beidem, sowohl Gewinn wie auch Verlust des Unternehmens, proportional zu seiner Anlage beteiligt ist.
  2. Die Dividende (Gewinnbeteiligung) sollte prozentual festgelegt werden, anstatt von einem festen monatlichen oder jährlichen Betrag (Festbetrag) abhängig zu sein. Das Unternehmen behält einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns ein und schüttet einen bestimmten Prozentsatz an die Aktionäre aus.

[Nebengeschäfte des Unternehmens]

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  1. Beim Aktienkauf ist auch zu beachten, dass sowohl das Hauptgeschäft als auch eventuelle Nebengeschäfte des Unternehmens erlaubt sein sollten. Falls es nicht erlaubte Nebengeschäfte gibt, sollten die Einnahmen daraus keinen beträchtlichen Anteil (z.B. 5%) aller Einnahmen des Unternehmens ausmachen. Andernfalls sollte der Aktionär beabsichtigen, dem Unternehmen jegliche nicht-erlaubte Geschäfte zu untersagen. Dies sollte schriftlich festgehalten werden und insbesondere auf der jährlichen Hauptversammlung des Unternehmens zur Sprache gebracht werden. Der Aktionär sollte verlangen, dass das Unternehmen keine nicht-erlaubten Geschäfte tätigt und zumindest sein Vermögen nicht in solche Geschäfte investiert.
  2. Wenn der jährliche Gewinn ausgeschüttet wird, sollte der Aktieninhaber – in Bezug auf Richtlinie 5 – die Bilanz prüfen, um herauszufinden, welcher Anteil des Gesamtgewinns durch Investitionen in nicht-erlaubte Nebengeschäfte erwirtschaftet wurde. Entsprechend diesem Anteil sollte der Aktieninhaber Spenden leisten.

[Finanzielle Aspekte des Unternehmens]

  1. Der Aktieninhaber sollte auch darauf achten, dass die verzinsten Schulden des Unternehmens im Vergleich zum Gesamtvermögen nicht übermäßig groß sind, zum Beispiel nicht mehr als 33%.
  2. Die Nettoliquidität des Unternehmens sollte geringer sein als der Marktwert der zu kaufenden Aktie.
  3. Falls Aktien für mehr oder weniger als ihren Nennwert gehandelt werden, sollte das Unternehmen, das diese Aktien ausgibt, neben dem Umlaufvermögen auch einen beträchtlichen Betrag an Anlagevermögen besitzen. Ein angemessener Richtwert könnte beispielsweise 20% des Gesamtvermögens sein.

[Einschränkungen beim Aktienkauf]

  1. Der Kauf von Aktien konventioneller, unislamischer Banken oder Versicherungsunternehmen, Spirituosenherstellern oder Unternehmen, die hauptsächlich im Zinsgeschäft tätig sind, ist ebenfalls nicht erlaubt.
  2. Eine weitere Voraussetzung für den Aktienhandel besteht darin, dass der Aktieninhaber nach dem Aktienkauf diese Aktien auch tatsächlich in Besitz nimmt und sie erst danach weiterverkauft. Aus islamischer Perspektive ist es nicht rechtmäßig, Aktien zu verkaufen, ohne vorher den Besitz an ihnen zu erlangen. Die Einzelheiten dazu sind wie folgt:1 
     
    Vorschriften zur Besitznahme (qabḍ) vor dem Wiederverkauf von AktienIm herkömmlichen Tageshandel an der Börse wird der Handel abgeschlossen und anschließend unverzüglich im zentralen Aktientransfersystem (KAT) erfasst, welches ein computergestütztes Register der durchgeführten Geschäfte an der Börse ist. Allerdings erfolgt die Bezahlung des festgelegten Preises durch den Käufer und die Übergabe der Aktien durch den Verkäufer erst zwei Geschäftstage nach dem Handel. Früher waren dafür in der Regel drei Tage vorgesehen. Dies geschieht, indem die gehandelten Aktien durch die Central Depository Company (CDC) auf den Namen des Käufers im Register des entsprechenden Unternehmens übertragen werden. Im Börsenjargon spricht man von “Besitznahme” und “Übertragung” (Delivery). Das islamische Recht besagt, dass solange die verkauften Aktien noch nicht auf den Namen des Käufers im Register des betreffenden Unternehmens durch die CDC übertragen wurden, es nicht erlaubt ist, diese Aktien weiterzuverkaufen. Denn für den Weiterverkauf eines Gegenstands ist nach islamischem Recht die tatsächliche Besitznahme Voraussetzung. Obwohl die Aktien gemäß der üblichen Praxis der Börse unmittelbar nach dem Handel im KAT erfasst werden und letztendlich der Käufer für Gewinn und Verlust verantwortlich ist, handelt es sich beim Kauf und Verkauf von Aktien in Wirklichkeit um den Kauf und Verkauf eines ungeteilten Anteils (al-ḥiṣah al-muschāʿah) am Unternehmen. Im Falle des Verkaufs eines ungeteilten Anteils gilt allein die Übertragung von Gewinn und Verlust auf den Käufer nicht als rechtliche Besitznahme im Sinne des islamischen Rechts. Eine physische Besitznahme eines ungeteilten Anteils ist ebenfalls nicht möglich. Um die Besitznahme rechtswirksam zu machen, ist daher die Freigabe (takhliyyah) erforderlich. Nach Recherche der geltenden Gesetze und Richtlinien der Börse ergibt sich, dass eine Freigabe erst stattfindet, wenn die Aktien im Register des Unternehmens durch die CDC auf den Namen des Käufers übertragen wurden. Daher stellt der Verkauf der gekauften Aktien vor der Übertragung im Register des betreffenden Unternehmens durch die CDC auf den Verkäufernamen einen Verkauf vor Besitznahme (al-bayʿu qabl al-qabḍ) dar, der nach islamischem Recht verboten ist.

    Zusammengefasst ist es auch im Fall des Tageshandels nicht erlaubt, die gekauften Aktien vor der Übertragung im Register des betreffenden Unternehmens durch die CDC weiterzuverkaufen.

[Verbotene Handelsformen]

  1. Die verschiedenen Varianten des Handels von Futures und Forwards, wie sie üblicherweise an der Börse praktiziert werden, sind in ihrer momentanen Form verboten.
  2. Auch Swap Tauschgeschäfte an der Börse sind verboten, aufgrund des Verkaufsverbotes vor Besitznahme und der fehlerhaften Kondition (ash-sharṭ al-fāsid), bei dem der Verkauf mit einem teureren Wiederkauf konditioniert wird.
  3. Blanko- und Leerverkäufe, wie sie an der Börse üblich sind, sind ebenfalls im islamischen Recht untersagt.

Und Allāh – der Gepriesene und Erhabene – weiß es am besten.

Verfasst von (Muftī) Bilāl Aḥmad Qāḍī

Folgende Gelehrte stimmen der Antwort zu:

(Muftī) Muḥammad Taqī ʿUthmānī
(Muftī) Maḥmūd Ashraf
(Muftī) ʿAbdur-Raʾūf Sukhurwī
(Muftī) Asghar ʿAlī Rabbānī
(Muftī) ʿAbdul-Mannān

Fatwā-Nr. 2/1029, 8. Jumāduth-Thānī 1429 AH
Dārul-Iftāʾ der Jāmiʿah Dārul-ʿUlūm Karatschi, Pakistan

(Übersetzt von Tabisch A. Farooqi)

  1. Anm. d. Übers.: Der erklärte Abwicklungsprozess mag für den in Deutschland üblichen Aktienhandel nicht ganz zutreffend sein. Es ist hier nämlich gängig, dass eine Kauforder bei Verfügbarkeit binnen weniger Sekunden abgeschlossen wird und die Aktie sich unverzüglich im Depot des Aktionärs befindet. Das vorherige Weiterverkaufen der Aktie ist nicht möglich. Nichtsdestotrotz trägt die Erklärung zum besseren Verständnis der Richtlinie Nr. 11 bei.